Legastheniker gründen vermutlich häufiger als andere Menschen ein eigenes Unternehmen. Das liegt wahrscheinlich an ihren guten Problemlösungsfähigkeiten, die häufig einen hohen Praxisbezug aufweisen. Wie schon mehrfach beschrieben werden Legastheniker keine Sprachgenies. Aber viele sind in der Lage, ihre Fähigkeiten auf verschiedensten Gebieten auszubauen. Einer ist handwerklich besonders geschickt, der andere ist als Ingenieur ein Tüftler, der Maschinen für die Automatisierung weiterentwickelt. Nicht alle Legastheniker sind deswegen hochbegabt. Aber sie nutzen ihre vorhandenen Fähigkeiten und bauen sie aus. Auch bei Legasthenikern gibt es hochbegabte Genies, die geniale Geschäftsideen entwickeln und exzellente Leistungen schaffen. Hier kann man die legasthenen Unternehmer Erling Kagge, Bill Gates und Steve Jobs nennen.
Beobachtungen aus der Praxis mit Unternehmensgründern
Das Unternehmertum ist bei legasthenen Menschen vermutlich stärker ausgeprägt als in der nicht-legasthenen Bevölkerung. Es gibt viele verschiedene Ursachen, warum Betroffene unternehmerisch aktiv werden. Zum einen liegt es an der familiären Vorprägung. Wenn die Eltern schon Unternehmer waren, ist es recht wahrscheinlich, dass die Kinder wieder diesen Weg gehen. Und zum anderen kann es daran liegen, dass Betroffene auf Probleme gestoßen werden, die scheinbar schwer lösbar sind. Viele mussten aufgrund ihrer Schwierigkeiten in der Schule Umwege gehen, um zu anderen Lösungen zu gelangen. Vielleicht ist das mehrfache Scheitern für manche sogar förderlich gewesen, um eine gewisse Offenheit für andere Lösungswege zu haben. Nicht wenige haben sich dazu gute soziale Kompetenzen antrainiert, die für gutes Teamwork und Mitarbeiterführung wichtig sind. Wenn sie es soweit geschafft haben, besitzen sie ein gutes Durchhaltevermögen und eine psychische Stabilität, um den häufig harten beruflichen Weg als Unternehmer zu überstehen.
In der praktischen Arbeit mit Betroffenen sind uns in den letzten 10 Jahren Menschen aus den verschiedensten beruflichen Branchen begegnet: Informatiker, Gastronomen, Tischlermeister, Fleischermeister, Bauzeichner, Bäckermeister, Kfz-Meister, Architekten, Grafiker, Musiker, Juristen, Bauingenieure, Betriebswirte, Unternehmensberater, Maschinenbauer, Sozialwissenschaftler, Sozialarbeiter, Steuerberater, Journalisten, Fotografen, Werbefachleute, Drucker, Spediteure, Ärzte und andere Selbständige im Sozial- und Gesundheitswesen.
Aus unserer Erfahrung kann man folgendes Resümee ziehen: Legastheniker gehören häufig der normalen Mittelschicht an und sind typische Entrepreneure. Sie gehören zum klassischen Mittelstand. Die zitierten Genies und Hochbegabten mag es unter ihnen sicherlich geben, es ist aber kein Phänomen, das auf alle betroffenen Unternehmer zutrifft. Es ist bestimmt etwas Wahres dran, wenn sich Betroffene aus schwierigen Lebensumständen hoch gekämpft haben und damit langfristige Erfolge erzielen können. Die meisten werden nicht vergessen, woher sie einmal gekommen sind. Einige haben darum vielleicht eine gewisse Portion Demut, die sie möglicherweise vor unklugen unternehmerischen Entscheidungen bewahren kann. Und nicht wenige sind kreativ und entfalten ihre Möglichkeiten in der Selbstständigkeit. Bei vielen ist die Selbstständigkeit eine bessere Chance ihre vorhandenen Fähigkeiten auszubauen, als in einem angestellten Verhältnis, wo man häufig für Betroffene weniger Verständnis hat. So können die Betroffenen ihren Arbeitsalltag eigenständig gestalten, was ihnen die bestmögliche Freiheit und Mobilität ermöglicht.