
Ein Erfahrungsbericht mit Fallbeispiel von Lars Michael Lehmann, Legasthenie-Experte und Fachjournalist
In den letzten 15 Jahren haben wir vielfältige Erfahrungen mit Schülern gesammelt, die eine LRS-Klasse besucht haben. Die Ergebnisse sind unterschiedlich: Während einige Kinder gute Fortschritte machen, gibt es andere mit einer Lese-Rechtschreib-Schwäche (LRS), die nur geringe Entwicklungen zeigen. Warum das so ist, erörtern wir in diesem Bericht.
Einführung in die Lese-Rechtschreib-Schwäche
Die Lese-Rechtschreib-Schwäche (LRS) ist eine weit verbreitete Lernstörung, die viele Kinder und ihre Familien vor große Herausforderungen stellt. LRS betrifft schätzungsweise 5-10% aller Schulkinder und kann erhebliche Auswirkungen auf ihre schulische und emotionale Entwicklung haben. In Sachsen werden spezielle LRS-Klassen angeboten, um diesen Kindern gezielte Unterstützung zu bieten. Doch wie effektiv sind diese Klassen wirklich?
Unterschiedliche Erfahrungen mit LRS-Klassen
Die Erfahrungen mit Sonderschulen für LRS-Kinder in Dresden sind vielfältig. Es gibt positive Entwicklungen, aber auch Fälle, in denen Kinder trotz Sonderbeschulung nur langsam vorankommen. Die Gründe dafür sind komplex und vielschichtig.
Komplexität der Lese-Rechtschreib-Schwäche
LRS ist ein Syndrom, das viele verschiedene Schwierigkeiten im Lesen und Schreiben umfasst. Die soziale Umwelt in Schule und Familie spielt eine große Rolle dabei, wie sich Kinder mit Lernschwierigkeiten entwickeln. Begleiterkrankungen wie sprachliche und motorische Entwicklungsverzögerungen können die psychoemotionale Entwicklung beeinflussen. Auch soziale Probleme, Bildungsferne und sozialökonomische Benachteiligung spielen eine Rolle.
Medizinische und soziale Faktoren
Die Lese-Rechtschreib-Schwäche kann durch verschiedene Faktoren beeinflusst werden, darunter:
- Probleme mit dem Arbeitsgedächtnis
- Leichte Lernbehinderungen
- Erbliche Hörfehler
- Seltene Augenkrankheiten
- Psychisch erkrankte oder suchterkrankte Elternteile
- Erbliche Häufung
- Instabile Familienverhältnisse
- Traumata und Frühgeburten
Instabile Familienverhältnisse
Instabile Familienverhältnisse können die Entwicklung von Kindern mit LRS erheblich beeinträchtigen. Kinder, die in einem Umfeld mit häufigen Konflikten, Trennungen oder anderen familiären Belastungen aufwachsen, haben oft Schwierigkeiten, sich auf den Unterricht zu konzentrieren. Diese Kinder benötigen besondere Unterstützung, um ihre emotionalen und schulischen Herausforderungen zu bewältigen.
Erbliche Häufung
Es gibt Hinweise darauf, dass LRS eine erbliche Komponente haben kann. In einigen Familien häufen sich Fälle von Lese-Rechtschreib-Schwäche, was auf eine genetische Veranlagung hindeutet. Eltern, die selbst von LRS betroffen sind oder waren, sollten besonders aufmerksam sein und frühzeitig Unterstützung für ihre Kinder suchen.
Fallbeispiel: Anton
Anton, 9 Jahre alt, besuchte vor 2 Jahren eine LRS-Klasse. Seine Heimatschule, eine leistungsorientierte Grundschule, war mit dem Thema LRS überfordert. Anton zeigte schlechte Motivation und Konzentration, obwohl seine Intelligenz im normalen Durchschnitt lag. Die Entwicklung in der LRS-Klasse ging schleppend voran, auch wegen sozialer Konflikte und eines schwierigen Elternhauses.
Antons Herausforderungen
Anton hatte von Beginn an Schwierigkeiten, sich in der LRS-Klasse zurechtzufinden. Er fühlte sich oft überfordert und zeigte wenig Interesse am Unterricht. Seine Lehrer berichteten, dass er sich schnell ablenken ließ und Probleme hatte, den Anweisungen zu folgen. Trotz intensiver Bemühungen der Lehrer und einer parallelen Lerntherapie machte Anton nur langsame Fortschritte.
Diagnose und Fortschritte
Erst durch eine klinische Diagnostik wurde klar, dass Antons Arbeitsgedächtnis sehr schwach war. Eine Konzentrationsschwäche/ADHS wurde nicht bestätigt. Mit einer speziellen Lerntherapie konnte Anton Fortschritte machen, aber die LRS-Klasse war sozial nicht förderlich. Ein Wechsel auf eine freie Schule mit gutem Ruf in der LRS-Förderung half ihm weiter.
Wissenschaftliche Hintergründe
LRS-Klassen sind ein bildungspolitisches Instrument, sie sind kein wissenschaftlich fundiertes. Bisher fehlen die Nachweise für eine langfristige Wirksamkeit dieser Klassen. Einige Kinder profitieren enorm von der spezialisierten Unterstützung, während andere weiterhin Schwierigkeiten haben. Forscher betonen die Bedeutung einer individuellen Förderung, die auf die spezifischen Bedürfnisse jedes Kindes abgestimmt ist.
Praktische Tipps für Eltern und Lehrer
- Individuelle Förderung: Jedes Kind ist einzigartig. Eltern und Lehrer sollten gemeinsam einen Förderplan entwickeln, der auf die Stärken und Schwächen des Kindes eingeht.
- Regelmäßige Überprüfung: Die Fortschritte des Kindes sollten regelmäßig überprüft und der Förderplan entsprechend angepasst werden.
- Unterstützung zu Hause: Eltern können durch regelmäßiges Vorlesen und gemeinsames Lernen zu Hause einen wichtigen Beitrag leisten.
- Professionelle Hilfe: Bei anhaltenden Schwierigkeiten sollten Eltern nicht zögern, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.
- Stabile Umgebung schaffen: Ein stabiles und unterstützendes familiäres Umfeld kann einen großen Unterschied machen.
Fazit
Nicht alle Kinder profitieren gleichermaßen von einer LRS-Klasse. Es ist wichtig, medizinische Ursachen abzuklären und individuelle Lösungen zu finden. Eltern sollten aktiv die richtige Hilfe für ihr Kind suchen und sich nicht scheuen, verschiedene Fördermethoden auszuprobieren. Mit der richtigen Unterstützung können Kinder mit LRS ihre vollen Potenziale entfalten.