Es gibt immer wieder legasthene Männer und Frauen in wirtschaftlichen Führungspositionen. Sie können als Abteilungsleiter, Teamleiter, Geschäftsführer oder sogar als Leiter internationaler Unternehmen tätig sein. Aus unserer Sicht sind Legastheniker für solche Führungsaufgaben oft gut geeignet. Hier wollen wir erläutern, warum das so ist.
Wir haben bereits in verschiedenen Aufsätzen darüber berichtet, warum die Biografien der Betroffenen so unterschiedlich verlaufen. Auch der Aufstieg in eine Führungsposition hängt von ihrer familiären, schulischen und beruflichen Entwicklung ab. Legastheniker haben dabei in der Regel einen sehr steinigen Weg vor sich, denn es sind viel größere Hindernisse zu überwinden. Es dauert meist viel länger als bei anderen Menschen und ist leider oft mit vielen Misserfolgen verbunden, bevor Legastheniker ihr Ziel erreichen.
Manche Menschen können sich mit den Hierarchien in Unternehmen nicht arrangieren und wählen deshalb den Weg in die berufliche Selbstständigkeit. Viele begabte Legastheniker sind als Ingenieure, Handwerker oder andere spezialisierte Fachkräfte tätig und dabei nicht selten die Besten ihrer Zunft. So wagen sie den Aufbau eines erfolgreichen Unternehmens. Doch in der Öffentlichkeit wird kaum über ihre besonderen Eigenarten gesprochen. Sie sind erfolgreich im Geschäft, aber ihnen fehlt der Mut, sich zu outen. Es werden Mentoren benötigt, die andere Betroffene in den Bereichen Führung und Unternehmertum anleiten.
Neben ihren fachlichen Kenntnissen beeindrucken Legastheniker oft auch durch ihre guten persönlichen Eigenschaften. Sie sind gute Teamplayer und zeichnen sich durch ihre Menschlichkeit und Empathie aus. Viele Betroffene haben ein gutes Verständnis für komplexe Aufgaben und denken dabei über ihren eigenen fachlichen Tellerrand hinaus. Sie arbeiten oft vorausschauend und lösungsorientiert und entwickeln auf vielen Gebieten ein erstaunliches kreatives und innovatives Potential. Diese guten Eigenschaften kennen wir aus unseren persönlichen Erfahrungen mit vielen Betroffenen. Doch dieses Potential wird im deutschsprachigen Raum noch viel zu selten genutzt.
Aufgrund der Bildungsmisere und des „Fachkräftemangels“ in Deutschland wird die frühzeitige Förderung und Unterstützung von Fach- und Führungskräften zu einem immer wichtigeren Thema. Wir sind überzeugt, dass es viele begabte Legastheniker gibt, deren Potential gefördert werden sollte. Die Frage ist: Sind wir in der Lage, neue Wege in der Entwicklung des Personals zu gehen? Personalverantwortliche sollten unserem Thema mehr Aufmerksamkeit schenken. So könnten die Unternehmen frühzeitig die Betroffenen mit ihrem Potential erkennen, um diese gezielter zu fördern. Bislang haben aber nur wenige Unternehmen in Deutschland diese Möglichkeiten erkannt. Sicherlich ist dies mit erheblichen Kosten für die Qualifikation der Betroffenen verbunden. Aber unser Bildungssystem wird dies nicht allein kompensieren können, denn der Bereich der Lese-Rechtschreib-Schwierigkeiten ist nur eines von vielen Problemen in unserem Schulsystem. Deshalb ist hier auch die Wirtschaft gefordert, mehr Initiative in den Bereichen Qualifikation und Integration zu zeigen.
Literatur:
Cronin, M. E., & Dixon, S. G. (2014). Dyslexia and Leadership: The impact of contextual factors on career development. Human Resource Management, 53(2), 277-297.
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