Herr Ammann, Sie sind Legastheniker und stehen auch dazu. Wieso kommt es, dass Sie sich dazu bekennen, ein Legastheniker zu sein? Sehr viele outen sich nicht in der Öffentlichkeit! Warum Sie?
Andrej Ammann: Wenn man offen und ehrlich zur Legasthenie steht, hat man es einfacher. Man muss sich nicht verstecken und wirkt durch dies nicht verkrampft.
Wie erlebten Sie die Schulzeit? Und wer erkannte, dass Sie ein Legastheniker sind? Wer ist denn in ihrer Familie davon betroffen?
Andrej Ammann: Schon in der 2. Klasse bemerkte meine Mutter, sie ist Lehrerin, dass ich Mühe mit der Sprache habe. Ich wurde abgeklärt und ging von dieser Sekunde an in den Legasthenie-Unterricht. Mein Bruder, mit dem ich 11 Fitnesscenter betreibe, hat auch eine leichte Legasthenie. Er war Lehrer und studierte Sport.
In der Öffentlichkeit stellt man immer wieder uns Legastheniker als Behinderte und Kranke dar. Wie sehen Sie diese Sichtweisen? Was meinen Sie, was die Legasthenie ist?
Andrej Ammann: Legasthenie ist für mich eine Schwäche. Jeder Mensch hat Schwächen. Es ist wie im Sport: Ein schwacher Athlet muss mehr trainieren, aber mit genug Einsatz kann auch er Weltmeister werden.
Sie haben eines Tages den Sport für sich als Berufung gefunden. Es gibt ja einige andere Legastheniker, die gute Sportler sind und waren. Wie haben Sie es geschafft, der Nationalcoach im Modernen Fünfkampf zu werden?
Andrej Ammann: Da ich sehr spät mit Spitzensport begonnen habe, blieb es mir verwehrt, ganz in die Weltspitze des Modernen Fünfkampfs vorzustoßen. Ich begann neben Spitzensport und den Fitnesscentern eine Ausbildung zum Nationaltrainer Diplom. Ich schloss erfolgreich ab. 2 Jahre später wurde ich mit 29 Jahren als Nationalcoach eingestellt.
Heute sind sie Sporttrainer und Inhaber mehrerer Fitnessstudios in der Schweiz. Wie bewältigen Sie ihre schriftlichen Aufhaben oder das Lesen von Texten?
Andrej Ammann: Noch heute gehe ich möglichst allen schriftlichen Aufgaben aus dem Weg. Eine Agenda zu führen ist für mich extrem schwierig. Ich versuche möglichst viele Termine im Kopf zu behalten. Manchmal ohne Erfolg ;-). Unser Fitnesscenter würde nicht funktionieren, wenn ich im Büro arbeitete. In unserem Betrieb versuchen wir die Stärken unserer Mitarbeiter zu nutzen. Meine Stärke ist der direkte Kontakt mit unsern Gästen und Partnern.
In ihrem Buch: „DUDL das Buch“ schreiben Sie ganz lustige Geschichten aus Ihrem Leben als Sportler. Wie kam es dazu, ein Buch zu schreiben? Das auch noch als Legastheniker?
Andrej Ammann: Ich habe bis heute noch nie ein Buch fertig gelesen außer einem Bilderbuch. Der Räuber Knatterrater. Ein Satz pro Seite. Trotzdem begann ich meine vielen peinlichen und lustigen Episoden aufzuschreiben. Als mein Athlet keine Sponsoren fand für die Olympischen Spiele von Peking, bekam ich die Idee, alles in ein Buch zu schreiben und es zu verkaufen. Zu meinem Erstaunen wurden über 1000 Bücher verkauft. Mein Athlet freute sich.
Sie sind ein gutes Beispiel, das vielen Mut macht, sein Leben mit Legasthenie in den Griff zu bekommen. Was raten Sie anderen Betroffenen?
Andrej Ammann: Akzeptiere, dass ein ‚Handicap‘ vorhanden ist und baue auf deine Stärken. Ein Schreibfehler mit Humor nehmen und sich zur Schwäche bekennen. Ich habe ein tolles Leben – dank meiner Legasthenie. Es lebe die Legasthenie 😉
Ich bedanke mich bei Herrn Ammann für das offene Interview.
www.dudl.ch Andrej Ammanns Geschichte ist wirklich Lesenswert. Und seine erfolgreiches Unternehmen finden Sie hier: http://www.update-fitness.ch.
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