Mario Engel veröffentlichte auf dem Blog des Dachverbandes Legasthenie Deutschland e.V. (DVLD) einen Beitrag zum Thema „Legasthenes Denken“ (Engel 2021). Hier sind unsere Gedanken dazu.
Die These, dass Legastheniker einen anderen Denkstil haben, beruht auf der neurologischen Beschaffenheit ihres Gehirns. Die Verarbeitung der Sinneseindrücke wie Sehen und Hören erfolgt anders als bei Nicht-Legasthenikern. Die Komplexität der Sprachverarbeitung wurde u.a. von Jens Brauer vom Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften Leipzig beschrieben (Brauer 2014).
Wenn Menschen Schwierigkeiten in bestimmten Bereichen ihres Lebens haben, so können sie doch Stärken auf anderen Gebieten entwickeln. Das ist eine Eigenart des menschlichen Gehirns. Wir können noch nicht sagen, warum das so ist. Eine mögliche Hypothese ist jedoch, dass Legastheniker aufgrund ihrer neurologischen Besonderheiten einen anderen Denkstil haben.
Unsere Beobachtungen der letzten Jahre bestätigen diese These. Vielleicht ist dies auch der auffälligste Unterschied zwischen Legasthenikern und Menschen mit einer erworbenen LRS. Man kann deutliche Tendenzen erkennen, dass Legastheniker anders ticken als Menschen ohne diese ererbte Schwäche. Die Abgrenzungsdiskussion zwischen LRS und Legasthenie (Lehmann und Feldt 2018) gibt es in der Fachwelt schon seit langem. Auf jeden Fall gibt es unterschiedliche Ursachen für diese Lernschwächen beim Lesen und Schreiben.
Nach unserer Erfahrung haben erwachsene Legastheniker besondere Stärken in der Visualisierung und im Vorstellungsvermögen entwickelt. Auch das Kommunizieren und Argumentieren mit klaren und eindeutigen Aussagen, das Entdeckerdasein als neugierige Grundfertigkeit und das Streben nach persönlichen Verbindungen zählen zu ihren Stärken.
Wir können bestätigen, dass diese Denkstile bei Erwachsenen mit Legasthenie häufiger anzutreffen sind. Natürlich sind diese Eigenschaften bei jeder Person in unterschiedlichen Nuancen ausgeprägt.
Literaturverzeichnis:
Brauer, Jens (2014): Sprachentwicklungsstörung aus neurowissenschaftlicher Perspektive, in: https://www.fachtagung.com/resources/2014/Jens_Brauer-20.EOEDL-Fachtagung.pdf [19.01.2023]
Engel, Mario (2021): Legasthenes Denken, www.legasthenieverband.org, [online] https://www.legasthenieverband.org/legasthenes-denken/ [19.01.2023].
Lehmann, Lars Michael; Feldt, Stefan (2018): LRS und Legasthenie? – Das Ursachen- und Wechselwirkungsmodell der Lese-Rechtschreib-Schwierigkeiten. [19.01.2023]