Auch wenn es den Begriff Legasthenie bereits seit Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts gab, war er zu DDR-Zeiten im Bildungswesen oder bei anderen Fachleuten nicht bekannt. Vielen Betroffenen wurde aus Unwissenheit eine Lernbehinderung attestiert.
Nach der Teilung Deutschlands 1945 gab es in den beiden deutschen Staaten unterschiedliche Kenntnisstände und Herangehensweisen. In Großstädten der DDR gab es zwar ähnliche LRS-Schulen wie heute, diese schulische Förderung war ein Zweig der Sprachheilschulen. Eine Förderung nach heutigem Verständnis war dagegen zu DDR-Zeiten nicht üblich.
In den alten Bundesländern wurden die Begriffe LRS und Legasthenie je nach Bundesland verschieden interpretiert. Die Schüler erhielten dadurch in unterschiedlichem Maße Unterstützung in Form von Lerntherapien oder schulischer Förderung.
Es wird deutlich, dass die LRS-Klassen, wie man sie heute kennt, einer Entwicklung der damaligen DDR entsprechen. Viele Fachleute wissen wenig über die unterschiedlichen Lernschwächen. Das kann eine Begründung dafür sein, dass der Besuch einer LRS-Klasse nicht jedem Schüler hilft, da die Förderansätze im Einzelfall unzureichend sind.
Bayern ist bis heute eins der wenigen vorbildlichen Bundesländer, die Legasthenie und LRS unterscheiden. Zumindest weiß man, dass Legasthenie eine erbliche Anlage ist und LRS erworben sein kann. Diese Differenzierung fehlt in unserem mitteldeutschen Bildungswesen komplett. Deshalb sind die Hilfsansätze der Schulen in Sachsen und Thüringen nicht immer transparent und verständlich. Denn die unterschiedlichen Lese-Rechtschreib-Schwierigkeiten benötigen keine Förderung nach Schema-F. Stattdessen müssen sie von den Ursachen her unterschieden werden, um die Schüler individuell bei der Bewältigung ihrer Probleme zu fördern und zu begleiten.
Gerade in diesem Punkt ist man in Ostdeutschland noch sehr rückständig. Hier braucht es noch wesentlich mehr Aufklärung.