Aus aktuellem Anlass möchten wir uns einmal Gedanken darüber machen, welche Chancen und Risiken die Corona-Krise mit sich bringt. Besonders für erwachsene Legastheniker brechen herausfordernde Zeiten, aber auch gute Chancen an.
Niemand kann jetzt sagen, welche Auswirkungen diese Krise in unserem Leben haben wird. Legastheniker, die schon im Vorfeld dieser aktuellen Krise verschiedene Herausforderungen im Leben bewältigt haben, können in dieser Zeit auf positive Erfahrungen zurückgreifen, denn sie wissen, dass auch Krisen ein Ende haben. Haben Legastheniker vor der Krise ihre Schwierigkeiten bewältigt, besitzen sie damit ein gutes Rüstzeug. Sie sind psychisch stabiler und werden auch nach einer erneuten innerlichen Krise wieder schneller auf die Beine kommen. Sie haben ihre schwierige schulische Biografie aufgearbeitet und sich einen guten beruflichen Stand erarbeitet. Hier sind deutliche Chancen zu sehen, da bewältigte Krisen der persönlichen Reife dienen.
Wer dagegen in der Vergangenheit seine Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben nicht bewältigt hat, kann jetzt in massive innerseelische Krisen geraten. Krisen legen oft unbearbeitete Probleme in der Biografie offen. Probleme der Kindheit kommen wieder hoch. Vor allem dann, wenn man im Elternhaus wenig Unterstützung bei der Bewältigung seiner Schwäche erfahren hat. Oder Lehrer haben einen mit der Legasthenie gedemütigt und mit Unverständnis darauf reagiert. Das zeigt sich dann besonders in der Bewältigung der Krise. Diese aktuelle gesamtgesellschaftliche Krise ist dennoch auch individuell und persönlich, denn sie ist eng mit den biografischen Erfahrungen des Einzelnen verknüpft.
Hier werden die Chancen und Risiken dieser Krise deutlich. Legastheniker, die ihre Schwierigkeiten bewältigt haben, haben deutlich bessere Chancen, aus dieser neuerlichen Krise gestärkt hervorzugehen. Leider gibt es viele Betroffene, die ihre Legasthenie nie mit psychologischen Therapien oder lerntherapeutischen Maßnahmen bearbeitet haben. Für diese Betroffenen wird die aktuelle Krise, die ja nicht nur eine medizinische Epidemie bedeutet, weitere Schwierigkeiten auslösen. Sie kann den Verlust des Jobs, den Todesfall eines Angehörigen bzw. finanzielle Einbußen verursachen. Man kann heute noch nicht vollständig abschätzen, was diese Krise auslösen wird. Diese Verkettung von Problemen kann große psychische Belastungen hervorrufen.
Leider gab es in der Vergangenheit von staatlicher Seite kaum Hilfe für die Betroffenen. Denn häufig konnten sich nur mittelständische Legastheniker eine Förderung leisten. Sozial Benachteiligte hatten meistens das Nachsehen.
Die Corona-Krise wird viele Probleme im Bildungswesen, im Sozial- und Gesundheitswesen bzw. in der Arbeitswelt verdeutlichen. Es wird deutlich werden, dass wir über viele Jahre unser Bildungswesen nicht reformiert haben. Für das systemrelevante Sozialwesen hatte der Staat sehr wenig Geld übrig. Das betrifft besonders die sozial schwächeren Betroffenen, die möglicherweise diese Krise nicht so leicht bewältigen werden. Hier braucht es zivilgesellschaftliche Hilfen in der Betreuung von Betroffenen. Darum sollte der Staat gemeinnützige Initiativen besser fördern und unterstützen. Sonst wird unser Gemeinwesen noch weniger in der Lage sein, diese Aufgaben zu stemmen, denn in den letzten Jahrzehnten wurde in diesem Bereich zu wenig getan.