Viele junge Erwachsene mit Legasthenie bzw. einer Lese-Rechtschreib-Schwäche stehen bei der Berufswahl vor einer großen Hürde. Wir haben in den letzten Jahren einige Erfahrungen gesammelt, welche Herausforderungen dabei auftreten können.
Zuerst mussten wir feststellen, dass sich die Anlaufstellen für die Berufsberatung nur selten mit dem Thema „Lese-Rechtschreib-Schwierigkeiten und Berufswahl“ auskennen. Entsprechend kompliziert ist für viele eine kompetente Einschätzung und Beratung, welche Berufe für Erwachsene mit LRS oder Legasthenie geeignet sind. Diese Probleme haben wir bei den IHKs und HWKs, den Hochschulen und Universitäten, aber auch bei der Agentur für Arbeit und den Jobcentern beobachtet.
Da die schulischen und familiären Hintergründe der Betroffenen vielfältig sind, sind auch die Voraussetzungen und Möglichkeiten der Berufswahl sehr unterschiedlich. Die berufliche Integration über die Arbeitsagentur bzw. das Sozialamt ist nicht selten mit großen Hürden verknüpft. Sozial schwächeren Betroffenen fällt es besonders schwer, eine maßgeschneiderte berufliche Integration zu erhalten. Die Beratungsstellen kennen sich zu wenig mit dieser Thematik aus. Deshalb laufen viele Integrationsmaßnahmen ins Leere und es droht Langzeitarbeitslosigkeit.
Wenn Legastheniker ihre Schwierigkeiten nicht bewältigt haben, wird ihre berufliche Integration mit zunehmendem Alter immer komplexer, da bei ihnen oft noch andere sekundäre Erkrankungen psychischer Natur hinzukommen. Leider stehen dann meistens die seelischen Belastungen im Fokus und die Legasthenie wird zu wenig berücksichtigt. Die schrittweise Bewältigung der Legasthenie kann in der Regel dabei helfen, die psychischen Erkrankungen aufzuarbeiten, wenn man sie richtig einzuordnen weiß. Dann besteht eine gute Chance, diese Probleme erfolgreich zu bewältigen. Leider kennen sich viele Behörden im Bereich berufliche Integration damit nicht aus. Auch Berufsbildungs- und -förderungswerke bzw. ähnliche Institutionen im Bereich der beruflichen Rehabilitation sind oft mit dieser Thematik überfordert.
Bei Betroffenen ohne seelische Belastungen ist die berufliche Integration häufig um vieles einfacher. Aber auch da haben wir unterschiedliche Erfahrungen gesammelt. Wir empfehlen jedem Betroffenen deshalb eine spezialisierte Berufsberatung.
In der Arbeitswelt geht man heute zumeist offener mit der Problematik Legasthenie und LRS um, auch wenn sich das von Branche zu Branche unterscheidet. Trotzdem sind die allgemeinen beruflichen Chancen der Betroffenen heute besser als noch vor 10 bis 15 Jahren.